Auszug Forum Sanitas 1/2012 - page 1

Molekulardiagnostik
Sicherer Vaterschaftsnachweis
N
eben gerichtlich angeordneten Ab-
stammungsgutachten werden auch
immer mehr Gutachten privat in Auftrag
gegeben. Eine Zunahme der Abstam-
mungsgutachten ergab sich u. a. durch
die Einführung modernster molekular-
biologischer Methoden, die nur sehr ge-
ringe Mengen an DNA benötigen. Als
Probenmaterial kamen hierfür Wangen-
schleimhautabstriche, aber auch Schnul-
ler oder andere alternative Materialien
in Frage. Dadurch ergab sich die Mög-
lichkeit, ohne Kenntnis der Mutter Pro-
benmaterial vom Kind zu nehmen und
daraus ein sog. heimliches Gutachten
erstellen zu lassen. Die Legalität dieser
Vorgehensweise war lange Zeit umstrit-
ten. Das Landgericht München I urteilte
am 22.05.2003 (AZ 17 HK O 344/03),
dass es unverheirateten Männern er-
laubt sein müsse, ihre mögliche Vater-
schaft auch ohne Wissen und Erlaubnis
der Mutter etwa bei Spezialfirmen testen
zu lassen. Ein heimlicher Vaterschaftstest
sei für das Wohl des Kindes weniger
schwerwiegend als die gesetzlich zuläs-
sige gerichtlich erzwungene Klärung der
Vaterschaft, urteilten die Richter.
Der Bundesgerichtshof urteilte am
12.01.2005, dass das Ergebnis eines
heimlichen
Abstammungsgutachtens
nicht als Anfangsverdacht für ein Vater-
schaftsaberkennungsverfahren verwen-
det werden darf. Es gab aber zunächst
kein Gesetz, welches heimliche Ab-
stammungsgutachten unter Strafe stell-
te. Heimliche Gutachten waren demnach
zwar verboten, aber nicht strafbewehrt.
Als „Ausgleich“ zum Verbot der heim-
lichen Abstammungsgutachten wurde
am 01.04.2008 § 1598a BGB neu ein-
gefügt. Mit dem geänderten Gesetz zur
Klärung der Vaterschaft (§ 1598a BGB)
fällt den privat in Auftrag gegebenen
Abstammungsgutachten eine wichtige
Rolle zu. Neben dem Privatgutachten
gemäß Gendiagnostikgesetz und der An-
fechtung der Vaterschaft (wie bisher §§
1600 ff. BGB) ist nach neuem Recht eine
vereinfachte Klärung der Abstammung
(§ 1598a BGB) möglich. Hierzu wird in
der Fachzeitschrift „Das Jugendamt“ Heft
03/2008, Seite 118 im Abschnitt 5 fol-
gendes ausgeführt:
„Wenn die anderen Familienangehö­
rigen nicht in die Abstammungsbe­
gutachtung einwilligen, wird diese
Einwilligung grundsätzlich vom Fami­
liengericht ersetzt und die Verpflich­
tung zur Duldung der Probenent­
nahme ausgesprochen.“
„Das Gutachten selbst wird nicht vom
Gericht in Auftrag gegeben, sondern
vom Klärungsberechtigten, der die
Untersuchungsmethode und den An­
bieter wählen kann. Dieses Gutach­
ten kann grundsätzlich in einem spä­
teren Verfahren auf Anfechtung der
Vaterschaft verwendet werden, wenn
beide Parteien damit
einverstanden sind und
das Gericht keinen Zwei­
fel an der Qualität des
Gutachtens hat.“
Eine gesetzliche Regelung
zur Erstellung von Abstam-
mungsgutachten, die auch
eine Strafe/Ordnungswid-
rigkeit für heimliche Gut-
achten vorsieht, wurde in
das gerade in Bearbeitung
befindliche Gendiagnos-
tikgesetz mit aufgenom-
men. Dies scheint verwun-
derlich, da bei den heute angewandten
Untersuchungsmethoden (Analyse von
Short-Tandem-­Repeats) zwar DNA, aber
keine proteinkodierenden Genabschnitte
analysiert werden. Es sind keine Aussa-
gen über vererbbare Krankheiten aus
dieser Analyse möglich (Ausnahme: Tri-
somien).
Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) trat
am 1.2.2010 in Kraft. Das GenDG regelt
in § 17 die „Genetische Untersuchung
zur Klärung der Abstam-
mung“. Um etwaige Fra-
gen oder nicht eindeu-
tig geregelte Sachver-
halte, die sich aus dem
GenDG ergeben, zu klä-
ren/regeln, wurde die
sogenannte Gendiagnos-
tik-Kommission (GEKO)
ins Leben gerufen. Diese
gibt Richtlinien zur Aus-
führung des GenDG her­
aus.
Durch das GenDG wer-
den Untersuchungen zur
Klärung der Abstam-
mung (nach § 17 Abs. 5 GenDG) grund-
sätzlich den übrigen genetischen Unter-
suchungen gleichgestellt, indem die Vor-
Dr. rer. nat. A. PAHL
Schon seit jeher stellt sich die Frage der Abstammung eines Kindes haupt-
sächlich dem männlichen Teil der Menschheit. Frauen, die ein Kind geboren
haben, können sich i. d. R. sicher sein, dass dieses Kind auch genetisch von
ihnen abstammt (Ausnahme z. B. Leihmutterschaft). Sie können daher davon
ausgehen, dass die Ressourcen, die sie in die „Aufzucht“ ihrer Nachkommen-
schaft investieren, der Weiterentwicklung ihres eigenen genetischen Materials
dienen. Für Männer gilt dies nicht zwangsläufig. Aus diesem Grunde ist vielen
Männern daran gelegen, einen entsprechenden Test durchführen zu lassen.
© istockphoto/pidjoe
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Forum Sanitas – Das informative Medizinmagazin • 1. Ausgabe 2012
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